Das Beste, was Filmpodcasts passieren konnte

tl;dr: Frauen und andere Personen aus marginalisierten Gruppen müssen sich ihr Standing in der deutschsprachigen Filmpodcastszene erkämpfen. Dabei heben sie Filmpodcasts auf ein neues Niveau.

Ich gebe zu, der Titel ist ein billiges Rip-off von Nele Heises großartigem Artikel über Frauen in der Podcastszene. Aber ein Sprichwort sagt ja, dass Nachahmung die größte Form der Anerkennung sei. Das lasse ich also einfach mal so stehen.

Seit Herbst 2018 bin ich aktiv in der Podcastszene. Mein damaliger Lebens- und jetzt immer noch bester Podcastpartner Julius und ich grübelten über den Sommer hinweg, was ein passendes Konzept für uns wäre. Julius war derjenige, der mich überhaupt erst zur Podcasthörerin machte und sein Interesse für Podcasts, die sich um Popkultur drehten, war ansteckend. Ihm war schon länger klar, dass er gern in einem Podcast über Filme sprechen würde. Mir nicht so recht – ich habe zwar schon immer gern Filme geschaut, aber ich fühlte mich nicht annähernd kompetent genug, um in einem Podcast drüber zu sprechen. Erst viel später erkannte ich, dass meine Bedenken symptomatisch für meine internalisierten patriarchalen Überzeugungen waren. Und dass ich damit nicht allein war. Nicht allein bin.

Aus dem Gedanken, dass ich in einem Filmpodcast eine Rolle innehaben müsste, in der ich als ausgewiesene Nicht-Filmexpertin irgendwie als kompetent erscheinen könnte, entstand die Idee zu Brainflicks. Ein Filmpodcast, in dem wir Filmanalyse mit Wissenschaftskommunikation im Bereich Psychologie verbinden würden. Aber warum überhaupt dieser Umweg, um in der Filmpodcastszene Fuß zu fassen? Naja, einerseits ist das Konzept eines solchen hybriden Podcasts schon ziemlich cool. Andererseits, und das halte ich rückblickend für einen mindestens ebenso starken Motivator wie der Wunsch nach einem innovativen Konzept, ist es als Frau immer eine Herausforderung, einen männerdominierten Bereich zu betreten. Und um dort als Frau oder nicht-binäre Person ernst genommen zu werden, muss man gefühlt mehr leisten. Solidere Aussagen tätigen, im Zweifelsfall alles mit Zitaten belegen können, möglichst lückenlos vorbereitet sein. Das war für mich im Bereich der Psychologie leichter möglich als im Bereich Film.

Die deutschsprachige Filmpodcastszene ist, wie die Podcastszene generell, immer noch stark männerdominiert. In meiner Podcaster:innenstudie zeigte sich, dass von den Männern in der Stichprobe mehr als dreimal so viele angaben, einen TV-/Filmpodcast zu produzieren als es bei den Studienteilnehmerinnen der Fall war. Besonders deutlich wird das, wenn man einen Blick auf die Filmpodcasts wirft, die besonders populär sind. Zwei oder drei Cis-Männer, die sich über Filme unterhalten – vielleicht über aktuelle Neuerscheinungen oder, auch gern gesehen, Genrefilme. Oft aus „Asien“, weil da ja der kranke Scheiß herkommt. Meistens ohne dezidierten Blick (sei er kulturhistorisch, wissenschaftlich oder gar feministisch). Einfach mal über Filme quatschen und ein bisschen raushängen lassen, was und wen man alles kennt. Je größer die physische Filmsammlung, desto… ihr wisst schon. Ja, ich werde zynisch, und ja, das hat einen Grund.

„Wie kann man das eigentlich noch bringen, einen Podcast mit drei Männern, die sich über Mackerfilme unterhalten?“ – so ein Bekannter von mir, kürzlich. Aus ihm sprach der gleiche Frust, der sich in mir immer wieder aufs Neue ansammelt. Uns geht es nicht darum, irgendwem den Mund zu verbieten, wie auch, das kann zum Glück niemand. Uns geht es um Sichtbarkeit, um Repräsentation, um Weiterdenken

Warum Sichtbarkeit? Easy. Die im deutschsprachigen Raum bekanntesten Filmpodcastenden sind männlich und häufig bereits vorher bekannt aus anderen Medien: YouTube, Fernsehen, Magazine. Starten sie einen neuen Podcast, ist das Publikum sofort akquiriert. Das ist in der Indie-Podcastszene, in der mehr Frauen und Vertreter:innen anderer maginalisierter Gruppen unterwegs sind, anders. Aktives Netzwerken, innovative Konzepte und Expertise sind notwendig, um sich irgendwie zu etablieren. Und selbst dann sind die Downloadzahlen in der Regel immer noch meilenweit von denen der erfolgreichsten Filmpodcasts entfernt. Die „großen“ Produzierenden könnten ihre Reichweite nutzen, um kleinere Projekte zu fördern. Machen sie aber meistens nicht. An der mangelnden Qualität der potenziellen Gäst:innen kann das Nichtnutzen von Privilegien nicht liegen – Qualität gibt es in der Indie-Podcastszene, insbesondere bei Formaten von oder mit Frauen, in sehr hohem Maße. Ich glaube mittlerweile eher, dass es an bewusstem Ignorieren liegt. Natürlich gibt es auch positive Gegenbeispiele. Cuts von Christian Eichler, welcher sich um Gäst:innen aller Geschlechter und relevanter Expertisebereiche bemüht, ist so eines.

Zweiter Punkt, Repräsentation. Nicht nur von Frauen und anderen maginalisierten Gruppen in Podcasts, sondern auch von spezifisch weiblichen und marginalisierten Sichtweisen. Eine Hörerin schrieb mir kürzlich: „Mittlerweile stören mich auch Podcastformate, die nur von Männern gemacht werden, da sie oft sexistisch sind und das oft unbewusst. Einfach weil sie eine feministische Sichtweise nicht inkludieren, weil sie keine Ahnung haben, was das bedeutet.“ Ich kann jeder Person nur raten, sich mit intersektionalen feministischen Sichtweisen zu beschäftigen. Wenn man erst einmal verstanden hat, worum es geht, dann kann man die unzähligen Leerstellen in Männerpodcasts nicht mehr ungehört machen. Auch hier wieder ein positives Gegenbeispiel: Enough Talk – Arne und Jens zeigen, dass eine dezidiert emanzipatorische Sichtweise auch in Männerrunden ihren Platz haben kann.

Und schließlich: Weiterdenken. Und da bin ich wieder bei meinem Punkt vom Anfang: Wenn marginalisierte Personen in öffentliche Räume treten, um sich dort zu äußern, machen sie sich angreifbar. Sich für solche Gespräche besonders gut vorbereiten, Kritik und Häme schon im Vorhinein antizipieren und Gegenargumente bereitlegen, sich auf Quellen berufen: das ist ein Schutzmechanismus. Eine Art von Mental Load, den privilegierte Personen nicht auf sich nehmen müssen. Eine Podcastkollegin erzählte mir, dass ihr männlicher Mitpodcaster in der Regel völlig unvorbereitet in die Aufnahme geht, während sie Stunden in die Vorbereitung steckt. Man mag es Imposter Syndrome nennen und damit den Fehler auf das Individuum schieben. Ich mag diesen Begriff mittlerweile nicht mehr und sehe hier klar das patriarchale System in der Hauptschuld: Um als Frau mit einem Mann mithalten zu können, ist Arbeit nötig. Das ist eine misogyne Überzeugung, aber wir alle leben in diesem System, deshalb haben auch wir Frauen diese Überzeugung internalisiert. Und wir bekommen es gespiegelt. Aber mein Punkt ist, und ich entschuldige mich für diese endlose Vorrede: Frauen und Personen aus anderen marginalisierten Gruppen haben Filmpodcasts auf ein neues Niveau gehoben. Hier quatschen nicht irgendwelche Filmdudes über die krassesten Splatterszenen. Hier gibt es Substanzielles. Und um diese Aussage mit Beispielen zu belegen, findet ihr hier eine Liste mit Futter für euren Podcatcher.

3 thoughts on “Das Beste, was Filmpodcasts passieren konnte

  1. Max says:

    Ahoi!

    Mir fallen noch folgende Casts ein:
    Bei Married to the Producer spricht Emily Parker über die Oscar-Gewinner der Kategorie Bester Film.
    ( https://www.podcast.de/podcast/768483/ )

    Bei Nachtmahre ist Jenny in Horrorgefilden unterwegs – geht auch mal um Splatterszenen. 🙂
    ( https://fyyd.de/podcast/nachtmahre-der-kleine-horror-podcast/0 )

    Bei Flip the Truck gehört Anne-Marie zum Kern des Teams.
    ( https://www.flipthetruck.com/ )

    Bei Nerdflimmern sprechen Jenni und Sarah u.a. über Filme.
    ( https://m.youtube.com/watch?v=poOgx9IyHh8 )

    Beim Wollmilchcast ist Jenny Jecke mit ihrer Filmexpertise unterwegs.
    ( https://www.the-gaffer.de/blog/category/podcast/ )

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